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Kampfkunst

Judo als Kampfkunst | Techniken | Prinzipien | Erziehung & Sport

Während der Feudalzeit im japanischen Mittelalter wurden viele unterschiedliche Kampfkünste ausgbt. Unbewaffnete und auch bewaffnete Systeme waren dabei. Das sogenannte Jujutsu/JiuJitsu war dabei eine der effizientesten “Schulen. Von 1603 - 1868 wurde es quasi in ganz Japan unterrichtet. Mit dem radikalen Schritt Japans von der Feudalzeit in die moderne, industrialisierte Gesellschaft 1869 - 1909, musste sich die komplette Gesellschaft Japans neu ausrichten. Im Vergleich dazu, hatte die europäische “Welt” etwa zehn Mal soviel Zeit für einen vergleichbaren Schritt gehabt...

Bushido der Terminus für die Japaner, um den moralischen Kompass und den Lebensweg der Samurai zu verdeutlichen. Sozusagen der „way of life“, wie man so schön sagt. Das Wort selbst soll bereits in der Tokugawa-Epoche entstanden sein, also in den Jahren 1600 bis 1868. Eine Blütezeit japanischer Kultur - sozusagen Mittelalter - bevor die Japaner in die Neuzeit geradezu katapultiert worden sind. Vor dem geflügelten Wort Bushido gab es Begriffssätze wie „Tsu-wamono-no-michi“ - Der Weg des Soldaten (Kriegers), „yumiya-no-narai“ - Regeln von Pfeil und Bogen, und „kyuba-no-michi“ (Der Weg von Pferd und Pfeil) ...


Bushido stand dann plötzlich für den Lebensstil des professionellen Kriegers - Samurai - in Zeiten des Krieges. Da die Tokugawa-Zeit aber friedlicher wurde, entwickelte sich dieses Thema weiter. Der Samurai lebte plötzlich auch in Frieden. Konfuzianische Einflüsse kamen ebenso hinzu, wie auch kulturelle Einflüsse, außerhalb von Kriegshandwerk - um so eine KriegsKUNST entstehen zu lassen. SHIDO war geboren, der Weg japanischer Ritterlichkeit. Ein höherer Weg, als nur zu kämpfen. Betrachtet man die Entwicklung im europäischen Mittelalter, was zeitlich zwar deutlich früher gewesen ist, kann man auch dort entsprechende Entwicklungen von „Ritterlichkeit“ als Lebensstil feststellen, bevor Horden von marodisierenden Landsknechten an deren Stelle traten.


Japan stilisierte geradezu den „alten“ Weg in der anschließenden Meiji-Epoche, die von 1868 bis 1912 andauern sollte. Geisha, Samurai und entsprechende Gebräuche wurden Kultur für einen Teil der Gesellschaft. Ein anderer Teil der Gesellschaft folgte ausländischen Besuchern, denen sich Japan geöffnet hatte, sehr schnell in die Neue Zeit. „Meiji“ bedeutete als Motto des neuen Tenno, des japanischen Kaiser, „aufgeklärte Zeit“. Der junge Thronfolger Mutsuhito stand der westlichen Kultur - vor allem der amerikanischen - sehr offen gegenüber. Japan drohte regelrecht zu zerreissen in dem Kulturkampf dieser Epoche. Auf der einen Seite befanden sich traditionelle Samurai mit dem Shogun - oberster Kriegsherr - gegenüber den modernen Japanern, die sich nicht mehr nach außen abschotten wollten, um einen modernen Imperialismus begründen zu dürfen, angeführt von ihrem Kaiser - Tenno. Diese Meiji-Restauration Japans hat Auswirkungen bis in die heutige Gesellschaft des Inselstaates.


Die Reform des Militärwesens, die von Tennō Mutsuhito vorgenommen wurde, war ein essentieller Schritt zur Umsetzung der Losung „Fukoku kyōhei“ ( jap. reiches Land - starke Armee). Die Auseinandersetzungen mit den Europäern in den Jahren 1863 bis 1865 hatten gezeigt, dass das japanische Militär in seiner traditionellen Form deutlich unterlegen war. Hier wurde durch das Kopieren und Anpassen an westliche Errungenschaften ein unglaublich schneller Fortschritt erzielt. Um japanische Streitkräfte zu modernisieren, reiste der ehemalige Samurai und Oberkommandierende der neuen japanischen Armee Yamagata Aritomo im Jahre 1869 nach Europa, um dort das westliche Militärwesen zu studieren. Nach seiner Rückkehr begann er sofort mit der Reform des japanischen Militärs. Diese gipfelte schließlich in der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zum Beginn des Jahres 1873. Gegen diese Reform gab es erhebliche Widerstände. Auf der einen Seite waren Samurai gegen die Neuerung, da damit ihr gesellschaftlicher Stand funktionslos wurde. Auf der anderen Seite waren auch Bauern gegen die Wehrpflicht, da böse Gerüchte über das Schicksal von Eingezogenen die Runde machten.


Die Samurai, die diese Veränderung nicht akzeptieren wollten, versammelten sich um Saigō Takamori und rebellierten. Dieser als Satsuma-Rebellion bekannte Aufstand wurde von den kaiserlichen Truppen unter der Führung von Ōkubo Toshimichi und Yamagata Aritomo blutig niedergeschlagen. Diese Niederlage der Samurai besiegelte das endgültige Verschwinden des einstmals großen Kriegerstandes aus der japanischen Gesellschaft. Die neugewonnene militärische Stärke wurde sehr schnell zur Erweiterung der japanischen Einflusssphären in Ostasien genutzt. Bereits am 25. Mai 1874 landeten ja- panische Truppen auf der chinesischen Insel Taiwan (Formosa). Im Februar 1876 zwang Japan den Nachbarn Korea mit dem Japanisch-Koreanischen Freundschaftsvertrag zur Öffnung der Häfen Incheon, Wonsan und Busan.


Der militärische Aufstieg Japans gipfelte schließlich in Siegen im Ersten Chinesisch-Ja- panischen Krieg (1895) und im Russisch-Japanischen Krieg (1905), so dass Japan die Insel Taiwan, die Ryūkyū-Inseln, das südliche Sachalin und Korea seinem Staatsgebiet einverleibte. Ende der Meiji-Zeit war Japan eine imperialistische Großmacht geworden, die mit USA und den europäischen Kolonialmächten konkurrierte. Japan 1855 aufgezwungene Verträge, beziehungsweise die Ex-Territorialität der Vertragshäfen konnten 1894/1911 aufgehoben werden. Selbst mit dem Tode von Kaiser Mutsuhito - dem Tenno Meiji - endete nur seine nach ihm benannte Epoche im Jahre 1912. Die Bewegung Japans als Teil der globalen Welt hingegen war nicht mehr aufzuhalten...


Es war ebenfalls im Jahre 1912, als Japan zum ersten Mal eine eigene Delegation zu olympischen Spielen entsandte. Die fünften olympischen Spiele fanden seinerzeit in Stockholm statt. Jigoro Kano hatte die Ehre, als Leiter dieser Delegation nach Europa zu kommen. Dieses Erlebnis soll dazu beigetragen haben, den olympischen Sportsgedanken und die Kultur der Samurai in seinem Kopf zusammenzuführen. Ab diesem Zeitpunkt hat Kano japanische Sportler ermuntert und gefördert. Die olympischen Spiele in den 30er Jahren nach Japan zu holen, ist Kano nie gelungen.


Kodokan

Da Kano selber sein Judo mit dem Zusatz Kodokan - also “Haus zum Studium des Wegs” bezeichnete - habe ich mich in den letzten dreißig Jahren meines Weges oft gefragt, wohin die zerstrittenen Funktionäre und Verbände in Deutschland „unser aller Judo“ führen wollen. Jedenfalls habe ich Kano so verstanden, dass er zum Einen eine Art Leibeserziehung im Blick hatte - und zum Anderen eine Art Training des Geistes.

Judo sollte jedoch nicht nur Kampfsport, sondern auch „geistiges Training" sein. Körper und Geist sollten in einen Zustand der Harmonie und Ausgeglichenheit versetzt sein. Lange hat es jedoch gedauert, bis das Kodokan und das dort unterrichtete Judo anerkannt wurden. Konkurrierende Schulen betrachteten das Kodokan im negativen Sinne als „Schule für Intellektuelle". Judo und Gründer Kano wurden jahrelang nicht ernst genommen. Die Führer anderer Schulen erklärten öffentlich, dem Kodokan würden die praktischen Fertigkeiten fehlen. Sie bezeichneten Kano als einen Bücherwurm, der seine Techniken bei den echten Meistern der Kampfkünste gestohlen habe. Besonders angegriffen wurden Kano und das Kodokan durch die Schule „Ryoi shinto-Ryu". Der Führer dieser Schule, Totsuka Hikosuke, zog über das Kodokan her. Zusammenstöße seiner Schüler mit den Schülern Kanos wurden provoziert, weil man einfach nicht verstehen konnte, dass Kano mehr entwickelt hatte: Kano legte mit sei- nem System einen Grundstein für die Weiterentwicklung einer Kampfkunst auch mit Zen und einem Ansatz für umfassende Erziehung.


Judo ist mehr als der olympische Sport. Wie wir wissen, wurde Judo unter der Bezeich- nung Kodokan-System von Kano vor über 100 Jahren entwickelt. Kano war ebenso ein Lehrer wie auch Schüler diverser Kampfkunst-Schulen seiner Zeit. So hat Meister Kano zahlreiche Techniken von diversen „Schulen“ vereinigt, in seinem System - und um neue Ideen (für damalige Verhältnisse) im Bereich Erziehung, Körper-Ertüchtigung und spirituelle Ansätze bereichert. 


„Sein“ Judo wurde dank Kano und seiner Mitstreiter Mifune, Koizumi, Hirano und ande- re, international als der „gentle way“ - also als eine elegante Kampfkunst gesehen, war immer mehr als nur ein Sport. Judo lässt sich daher auch in drei Bereiche gliedern, die man auf der Matte nicht auf den ersten Blick erkennt:


        RENSHINHO                                         SHOBUHO                                                     SHUSHINHO

        – physische Entwicklung                      – Entwicklung im Wettkampf/Sport             – Mentale Entwicklung


Ein Judoka nimmt diese Bereiche als Trinität bzw. Dreiklang wahr. 


Diese drei Bereiche sollen daher gleichmäßig und gleichberechtigt in einer Balance zueinander stehen, um zu einem tieferen Verständnis „des Weges“ führen zu können. Daher dient die Aufzählung nicht der Gewichtung der Aspekte, sondern der Reihenfolge. Es ist klar, dass die mentale Entwicklung der Bereich ist, der die meiste Zeit braucht.


Ein Judoka muss also reifen - um seinen „Weg“ ( Do ) im Laufe von Jahren der eigenen Entwicklung überhaupt erst zu finden - oder im Bewusstsein anzunehmen. 


Das meinte Kano möglicherweise mit dem Begriff des „höheren Judo“.



"Sei ryoku zen yo" ist dabei das technische Prinzip ( = bestmöglicher Einsatz von Geist und Körper )


Dieses technische Prinzip soll verdeutlichen, dass man sich durch stetigen Trainingsfleiß und der Beschäftigung mit sowohl körperlichen Fertigkeiten, als auch mentalen Fähigkeiten weiterentwickelt. Dieses Prinzip beschreibt in einem Satz sehr gut, wie man Judotechniken vielleicht ausführen sollte und wie man sich im Kampf zu verhalten hat. Der „bestmögliche Einsatz von Geist und Körper“ beinhaltet eine deutliche Absage an die bloße Anwendung schierer physischer Kraft. Mit diesem Prinzip wollte Kano offenbar den Begriff „Ju“ (sanft, nachgeben, geschmeidig) des Wortes Judo näher charakterisieren. Die Idee des Siegens durch Nachgeben, sowohl als körperliche Eigenschaft als auch als geistig-emotionale Einstellung wird dadurch wiedergegeben.


Auf die Judo-Praxis bezogen erkennt man die Anwendung dieses Prinzips:


– einem Angriff nachgeben und damit der gegnerischen Kraft die Wirkung nehmen 

– sich die Kraft des Gegners zu Nutzen machen

– brechen des gegnerischen Gleichgewichts

– den Gegner beobachten und seine Schwächen nutzen

– Ausnutzen des gegnerischen Schwungs

– bei aggressiven Handlungen des Gegners kühlen Kopf bewahren


Im modernen Sport-Judo einiger Verbände, scheint dieses Prinzip heutzutage nicht mehr dieses Gewicht in der Ausbildung zu haben, wenn man nun einen stärkeren Schwerpunkt auf Athletik setzt und mehrfach Prüfungsordnung und Ausbildung verändert hat.


Dann hat Kano den Judoka noch ein weiteres Grundprinzip hinterlassen...



"Ji ta kyo ei" ist das moralische Prinzip ( = gegenseitiges Helfen zu beiderseitigem Wohlergehen )


Dieses moralische Prinzip verdeutlicht im Sinne Kanos den pädagogischen Wert der Sportart auf sozialer Ebene. Die Verantwortung für den Partner, das 'miteinander kämpfen' ohne sich oder den anderen dabei wirklich zu gefährden, die Rücksicht auf Schwächere, ist Grundlage des Judo und in anderen Kampfsportarten nicht unbedingt selbstverständlich.


Dieses Prinzip Jigoro Kanos stellt Judo über eine bloße Zweikampfsportart und lässt es in seiner Idee zum ganzheitlichen Erziehungssystem werden. Mit dem „gegenseitigen Helfen zum gegenseitigen Wohlergehen“ machte Kano klar, mit welcher Einstellung und Haltung man Judo seiner Auffassung nach erlernen soll. Es macht klar, dass der Partner nicht nur ein „Übungsobjekt“ ist, sondern ein Partner, für den man Verantwortung entwickeln muss und für dessen Fortschritt in technischer und persönlicher Hinsicht man genauso arbeiten muss, wie für den eigenen Erfolg. Ohne einen freiwillig mitarbeitenden Partner ist das Studium von Judo nicht möglich.


Mit diesem Prinzip des gegenseitigen Helfens und Verstehens, hat Kano damit den Aspekt des „Do“ (Weg, Prinzip, Grundsatz) des Wortes Judo als Lebensweg oder prinzipielle Einstellung zum Leben Miteinander näher beschrieben.


Auf das regelmäßige Training bezogen erkennt man die Anwendung dieses Prinzips:


– Höflichkeit gegenüber dem Partner

– dem Partner helfen

– Harmonie und Zusammenarbeit mit dem Partner – Rücksicht auf schwächere Partner nehmen

– mit allen Trainingsteilnehmern üben

– Verantwortung für den Partner übernehmen



Im Japanischen bedeutet das Wort Hara übersetzt Bauch. Manche kennen viel- leicht den Begriff des Harakiri aus Samurai-Filmen. Das Wort bedeutet soviel wie “sich entleiben”. Hara-Ki-Judo soll das Gegenteil bedeuten. Es soll ein Weg sein, durch sich selbst zur Harmonie... 


Also, das man mittels des eigenen Leibs zum Leben gelangen kann. Wenn also Hara - die eigene Mitte - das Zentrum geistiger und körperlicher Kraft ist, geht es um einen Weg, das eigene geistige und körperliche Potential zu entdecken, dachte ich mir. Sich dessen bewusst zu werden. 


Sozusagen seinen inneren Meister finden. Das kann aus meiner Sicht nicht auf Sport und auf verbandspolitische Strömungen beschränkt sein. Athletik kann DO nicht ersetzen. Es geht dabei auch nicht um kommerzialisiertes Hinführen auf einen bestimmten Sport. Der Trainer tut aus meiner Sicht gut daran, einfach “nur” seinen Weg anzubieten. Keine Religionsfrage daraus machen. Kampfkünstler sollten m. E. sich vielmehr vorstellen, sie malen auf der Mattenfläche ein Bild. Mal gekritzelt - mal in Pastelltönen, mal grellbunt. Das ist DO!